Garden Leave, danach Arbeitslosengeld – ein böses Erwachen?

Garden Leave wird von manchen Arbeitgebern bei einem Personalabbau angeboten. Hierbei wird die Abfindung von Geld in Zeit umgerechnet. Während dieser Zeit verbleibt der Mitarbeiter offiziell noch im Unternehmen. Er wird aber von der Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt. Es stellt sich bei Garden Leave die Frage, ob der Betroffene nach der Garden Leave Zeit Arbeitslosengeld beantragen kann und in welcher Höhe und Dauer dieses bewilligt wird.

Zunächst ist festzustellen, dass dem Mitarbeiter Arbeitslosengeld zusteht. In diesem Punkt sind sich alle (Rechtsanwälte, Arbeitsagenturen, …) einig. Aber für manche gibt es eine böse Überraschung.

Entgegen der Erwartung, dass das Arbeitslosengeld ganz regulär auf dem Bemessungszeitraum von 12 Monaten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechnet wird, haben einige Arbeitsagenturen in mehreren Bundesländern entschieden, gemäß SGB III §152 eine fiktive Bemessung anzusetzen.

Diese Entscheidung stützt sich auf eine die ‚unwiderrufliche Freistellung‘ betreffende Geschäftsanweisung zum §138 (Punkt 1.2), in welcher zwischen versicherungsrechtlichem und leistungsrechtlichem Arbeitsverhältnis unterschieden wird:

  • das versicherungsrechtliche Arbeitsverhältnis endet mit Ende des Garden Leave
  • die leistungsrechtliche Komponente des Beschäftigungsverhältnisses endet bei einer unwiderruflichen Freistellung mit dem Ende der Leistungserbringung also mit Beginn des Garden Leave

Für die Beurteilung der Beschäftigungslosigkeit ist für die Arbeitsagentur aber nach der Geschäftsordnung nur die leistungsrechtliche Komponente des Beschäftigungsverhältnisses maßgebend.

Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung zieht die Arbeitsagentur nun nicht mehr die letzten 12 Monate des Garden Leave als Bemessungszeitraum heran, denn in diesem Zeitraum hat der Mitarbeiter im Garden Leave ja schon keine Leistung mehr erbracht, sondern berechnet den Bemessungszeitraum gemäß SGB III §152. Für den betroffenen Mitarbeiter bedeutet dies eine Reduzierung der Höhe des Arbeitslosengeldes um wenigstens 50%.

Der Schock bei den Betroffenen ist sehr groß! Jeder, der einen derartigen Bescheid erhält, ist erst mal fassungslos, muss aber mit der Situation zurechtkommen, Widerspruchsfristen einhalten und sich daher unbedingt um einen Anwalt bemühen, der sich um den fachgerechten Widerspruch kümmert und eventuell auch eine Klage beim Sozialgericht einreicht.

Groß ist auch die Verwirrung zudem darüber, dass die lokalen Arbeitsagenturen unterschiedlich entscheiden! Manch einer hat Glück und bekommt problemlos das volle Arbeitslosengeld.

Im Laufe der Zeit wird die Anzahl der Betroffenen steigen, denn die Garden Leave Zeiträume haben erst begonnen abzulaufen, da dieses Programm in Deutschland erst seit einigen Jahren eingeführt wurde.

Ein Hinweis auf eine verbindliche  Antwort kann hier leider nicht gegeben werden. Deshalb sollten alle sich schon im Garden Leave befindlichen Mitarbeiter und selbstverständlich auch alle, die mit einem derartigen Programm liebäugeln, sich mit der zuständigen Arbeitsagentur in Verbindung setzen, um gegebenenfalls mit Hilfe eines Anwaltes eine Lösung herbeizuführen.

Nachfolgend noch einige Hinweise zu diesem Thema:

Nach Auffassung des Bundessozialgerichtes wird ein Arbeitsverhältnis nicht nur bei tatsächlicher Arbeitsleistung vollzogen, sondern auch im Rahmen einer Freistellung. Dies schließt auch eine einvernehmliche Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses bei der Fortzahlung der regulären Vergütung ein.  Siehe hierzu die Niederschrift der Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 30./31.03.2009, Top 2

Nachfolgend eine Präsentation der IGM am 2.4.2016 …

 

Ferner die relevanten Auszüge aus dem Arbeitsrechtshandbuch Sozialversicherung bzgl. Abgrenzung eines Versicherungspflichtverhältnis und der Beschäftigungslosigkeit im Sinne der Arbeitsagentur. Rich­tig ist demnach, dass mit Be­ginn der Frei­stel­lung Beschäfti­gungs­lo­sig­keit im Sin­ne der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung ein­tritt, so dass der Ar­beit­neh­mer be­reits die Ver­mitt­lungs­leis­tun­gen der Ar­beits­agen­tur in An­spruch neh­men kann. Der An­spruch auf Ar­beits­lo­sen­geld ruht auf­grund der während der Frei­stel­lung be­zo­ge­nen Ar­beits­vergütung gemäß § 157 Abs.1 SGB III. In wie weit diese Beschäftigungslosigkeit auch vorliegt, wenn während der unwiderruflichen Freistellung ein quasi Beschäftigungsverbot vereinbart wurde, ist noch zu prüfen.

Die Arbeitsagenturen bestätigen den Betroffenen voll und ganz, dass es sich um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auch während der unwiderruflichen Freistellung handelt, nur machen die Agenturen das Arbeitslosengeld von dem Ende der Leistungserbringung abhängig. Hier ist m.E. anzusetzen und für die Betroffenen entsprechende Abreden oder Lösungen zu finden.

In einem Internetforum ist zu diesem Thema ferner ein Artikel finden, indem geraten wird, die Agentur für Arbeit mit Annahme des Garden Leave Angebotes zu informieren, da dann schon der Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses feststeht.

Mögliche Handlungsempfehlung:

Wie oben schon erläutert, sollten sich die Betroffenen unbedingt anwaltlichen Rat einholen. Je nach Zeitpunkt scheinen dann unterschiedliche Vorgehensweisen angeraten. Falls noch kein Jahr nach Beginn der Freistellung vergangen ist, sollte der Betroffene prüfen, ob eine sofortige Arbeitssuchendmeldung nicht sinnvoll ist. Man handelt sich zwar gegebenfalls  geringfügige Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung ein,  kann sich aber nach einem Jahr (siehe §148 Abs. 2 SGB III,  eine weitere Sperrzeit wegen Abs. 1 Nr. 4 würde in diesem Fall wohl nicht eintreten) arbeitslos melden und somit die Dauer und die Höhe des Arbeitslosengeldes berechnen lassen.  Dieses würde dann bis zu Ende der Freistellungsphase ruhen.


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